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Schön war es als Europameister




ALEMANIA - 16 noviembre 2013

Gestern war keiner der ganz großen Tage für die deutschen Nationalmannschaften. Wir denken noch einmal schnell zurück an bessere Zeiten, an Emanuel Lasker, das alte Vorbild, an Robert Hübner, die olympische Silbermedaille 2000 und den EM-Titel vor zwei Jahren … aber dann müssen wir wohl wieder zurückkehren in die maue Wirklichkeit. Natürlich gehört es zum Wettkampfsport dazu, dass man mal verliert, doch eine Ballung wie gestern – das hatte vermutlich kaum jemand so erwartet.





Das deutsche Damenteam, am Mittwoch noch mit einem sehr passablen Remis gegen Russland in der Nähe der Medaillenränge vorgerückt, behielt in der 6. Runde gegen die groß aufspielende Mannschaft von Polen III das Nachsehen (1,5:2,5), und gestern gegen Bulgarien endete der Tag mit einem ernüchternden 1:3 – trüber als dieses Ergebnis war wahrscheinlich nur noch das Warschauer Wetter. Allerdings sind die Bulgarinnen ja auch nicht irgendwer, sie sind an elf gesetzt und haben die Großmeisterin Antoaneta Stefanova in ihren Reihen - da kann viel passieren. Die deutschen Damen stehen nun auf Rang 15, das Leben geht weiter, und heute kommt es zum Spiel gegen Serbien.






Die Herren arbeiteten in der 6. Runde ein feines 3:1 gegen die alte Schachnation Litauen heraus und konnten daraufhin neue Hoffnung schöpfen auf eine wilde Aufholjagd in den letzten Runden und ein noch irgendwie versöhnliches Ende dieser Europameisterschaften. Allein, daraus wurde nichts – das türkische Team zauberte wie schon beim Jahrhundertspiel gegen Russland und bremste mit drei eher unkollegialen Siegen gegen Baramidze, Meier und schließlich Fridman alle deutschen Hoffnungen. Allein Arkadij Naiditsch sicherte so etwas wie den Ehrenpunkt zum 0,5:3,5 – doch, ähnlich wie bei den Damen, wird hier kaum jemand mit dem Gesamtergebnis zufrieden gewesen sein (außer vermutlich den Türken).

Team D belegt nunmehr Platz 26 – das ist sicher nicht, was man wollte, und morgen warten schon die Poland Futures – junge aufstrebende Polen, furchtlos, energisch, ungefähr vergleichbar der Niedersächsischen Schachjugend, die auch mir stets Probleme bereitet. Keine angenehme Aufgabe also – mit einer gehörigen Portion Schachwut aber wird es schon klappen.





Tja, und nun? Das Turnier strebt seinem Ende entgegen, und so wie es aussieht, sind für die beiden deutschen Vertretungen keine Meriten mehr zu gewinnen. Doch damit sind sie nicht allein! Russland zum Beispiel wird sich fragen, warum es in Warschau wieder nicht zu einem Titel gereicht hat – gestern verloren Grischuk, Swidler, Morosevitsch und Tomaschevski das Prestigeduell gegen die starken Armenen, und damit war es das wohl auch für sie bei der EM. Drei Punkte Rückstand auf die Franzosen, zwei weniger als Armenien, und sogar Griechenland spielt mopsfidel ganz oben mit und misst sich morgen mit Aserbaidschan – sie alle haben mehr Punkte als die großen russischen Schachbären.

Ähnlich wie Deutschland findet auch Spanien nicht den Zugang zum Turnier – die Iberer sind vergleichbar stark, was die Elo-Zahlen angeht und stecken ebenso im Mittelfeld fest. Es gibt Höhen und Tiefen überall, und Freude allein in Frankreich, denn noch immer führt die Grande Nation die Tabelle an. Heute um 15 Uhr treffen sie auf Armenien. Am Sonntag gibt es einen neuen Europameister!

Alles also nicht ganz so berauschend in Warschau, zumindest aus der streng deutschen Sicht. Selbst als Berichterstatter bekommt man ein ganz schlechtes Gewissen, weil alles so unglücklich läuft. Wir schauen aber zurück auf die Worte von Bundestrainer Uwe Bönsch, der, als hätte er es bereits gespürt, am Mittwoch noch sagte:

„Mir ist es aber lieber, die Mannschaft spielt manchmal weit über ihren Erwartungen und manchmal eben auch schlechter, als wenn immer ein mittelmäßiges Resultat rauskommt.“




So gesehen sind wir wieder voll im Soll – vor zwei Jahren der unglaubliche Titelgewinn (hey hey hey), und nun ein bisschen weniger gut, aber immer noch vor Österreich. Und eigentlich finde ich das Mittelfeld für diese EM gar nicht so schlimm – es muss ja Mannschaften geben, die die nicht ganz so aufregenden Plätze in der Tabelle übernehmen. Das hat Charme, und was soll immer dieser Druck, stets ganz oben dabei sein zu müssen? Deutschland ist bei Männern und Frauen zur Zeit eben ein ganz normales Schachland, und das reicht ja auch erst einmal. Sollte es aber mal wieder besser laufen, freue ich mich. Beim nächsten Mal, vielleicht!

Fuente: schachbund



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